Beim Trauern gibt es kein „richtig“ oder „falsch“

Individuellen Umgang mit dem Tod zulassen und Hinterbliebenen hilfreich zur Seite stehen

Stirbt ein geliebter Mensch, versetzt das Hinterbliebene in einen emotionalen Ausnahmezustand. Wie lange es braucht, dieses Tief zu überwinden, ist unterschiedlich. Foto: dpa

Reden, weinen, sich zurückziehen oder in Aktivitäten stürzen: Jeder trauert anders. Der Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen ist einzigartig und individuell – in allen Facetten. Ein „richtig“ oder „falsch“ im Umgang mit dem Verlust gibt es deshalb nicht.Große Herausforderung Klar ist nur, dass die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens gleich mehrere Male mit dem Tod konfrontiert werden, wenn der Partner, enge Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte sich von dieser Erde verabschieden. Für viele ist dann der Umgang mit dem Tod eine große Herausforderung, die sich unter Umständen nur mit professioneller Hilfe bewältigen lässt. Denn wer trauert, fühlt sich seinen Gefühlen komplett ausgeliefert. Weil er sich in einer für ihn ungewohnten Situation befindet, die ihn überfordert, ist gerade der Beistand nahestehender Personen ein wichtiger Bestandteil der Trauerarbeit. Helfen kann man den Hinterbliebenen, indem man sich bemüht, deren Bedürfnisse wahrzunehmen und Anteilnahme zeigt, dabei aber stets die von den Trauernden gewünschte Distanz nicht überschreitet.

In Zeiten der Trauer befinden sich Angehörige oft in einer Art seelischem Ausnahmezustand. Nach dem schweren Verlust plagen sie Selbstzweifel und Schuldgefühle oder sie leiden unter einem bröckelnden Selbstwertgefühl. All das erschwert es ihnen, sich wieder aufzurichten und am täglichen Leben teilzunehmen. Doch das wird gerade in unserem Kulturkreis von den Trauernden erwartet. Sie sollen nach kürzester Zeit wieder „funktionieren“, was eben bei vielen nicht klappt und sie zusätzlich unter Druck setzt. Für Trauer gibt es nämlich kein Limit. Hinterbliebene dürfen mit ihrem Verlust und den damit verbundenen Emotionen so umgehen, wie es für sie passt – und zwar in ihrem eigenen Tempo. Alles ist „richtig“, nichts ist „falsch“.

Vier Phasen
Vier Trauerphasen hat die Wissenschaft ausgemacht: Verleugnung, aufbrechende Emotionen, Neuorientierung und Akzeptanz. Und jede dieser vier Phasen verlangt einen anderen Umgang mit den Hinterbliebenen.

In der ersten Zeit nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen versuchen Hinterbliebene die Realität auszublenden, den Tod zu negieren. Sie befinden sich in einer Art Schockstarre. Hilfe bietet ihnen jetzt echte Anteilnahme und Unterstützung im Alltag, beim Einkaufen, bei Behördengängen, beim Kochen, Waschen, Putzen.

Die zweite Phase der aufbrechenden Emotionen ist geprägt von den eigenen Gefühlen, die von Wut bis Angst reichen können. Was der Trauernde jetzt braucht, ist die Ermutigung, diese Gefühle zulassen zu dürfen und jemanden zu haben, der ihm zuhört. Jetzt kann es hilfreich sein, den Trauernden vorsichtig dazu zu ermutigen, seine alten Aktivitäten langsam wieder aufzunehmen: Sport treiben, Freunde treffen oder ins Theater gehen sorgen für Ablenkung vom eigenen Schmerz und tragen dazu bei, schrittweise das körperliche und seelische Gleichgewicht wiederzufinden. Denn den Alltag wieder aufzunehmen und vorsichtig in die Zukunft zu blicken – auch das ist ein großer Bestandteil des Abschiednehmens.

In der dritten Phase, der Zeit der Neuorientierung, findet der Trauernde langsam wieder in den Alltag zurück. Er entdeckt wieder die positiven Seiten des Lebens. Unterstützen kann man ihn auf diesem Weg, indem man Geduld zeigt, seine Gefühle ernstnimmt und ihm bei der Neuorientierung zur Seite steht.

Eigenen Weg finden
In der letzten Trauerphase, der Phase der Akzeptanz, übernimmt der Hinterbliebene wieder Verantwortung für sein Leben. Ihn bei dieser Veränderung zu unterstützen und auch bei Rückfällen offen zu bleiben, gibt dem Trauernden die nötige Kraft, seinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Für ihn ist es eine lange Strecke, die er zurücklegen muss, bevor sich seine Gefühlswelt wieder normalisiert. Zwar wird der Schmerz, den der Tod eines geliebten Menschen hinterlässt, nie ganz verschwinden, aber man kann einen Weg finden, damit umzugehen. Und für diesen gibt es kein Patentrezept: Die Trauer im stillen Kämmerlein ebenso, wie das nach-außen-Tragen der Gefühle, die in dieser schweren Zeit bewusst wahrgenommen werden sollten. Wie lange es dauert, einen Weg zu finden mit ihnen umzugehen, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur, die Hilfe von nahestehenden Menschen nicht auszuschlagen.

Wer das Gefühl hat, in einem Teufelskreis gefangen zu sein, aus dem er sich alleine nicht befreien kann, sollte professionellen Beistand suchen: ein Arzt, ein Psychotherapeut oder auch Selbsthilfegruppen für Trauernde können dabei wichtige Impulse setzen.

Austausch
Denn gerade der Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben und daher die psychische Last besser nachvollziehen können, spendet Trost.

Vielerorts gibt es kommunale oder kirchliche Organisationen, die Trauernden Unterstützung bieten. Auch Internetforen bieten eine Möglichkeit zum Austausch. Unter www.rki.de beispielsweise finden sich wertvolle Tipps zur Sterbebegleitung. Unter www.trauer.org, einem privat betriebenene Trauerportal, wird der Austausch unter Betroffenen ermöglicht.

Es ist aber auch in Ordnung, seine Gefühle nicht mit anderen teilen zu wollen. In diesem Fall hilft es vielleicht auch, seine negativen Erlebnisse niederzuschreiben und den eigenen Schmerz beispielsweise einem Tagebuch anzuvertrauen. Ulrike Kübelwirth